Europa wappnet sich

Europa wappnet sich

Endlich eine gute Nachricht: Europa wappnet sich. Auf dem vorletzten EU-Gipfel in Brüssel rief Charles Michel, der Präsident des Europarates, die Mitgliedsstaaten auf, in den Kriegswirtschaftsmodus zu wechseln.

Wir können nicht anders. Es war der Jahrhundertfehler des Westens, den russischen Bären zu wecken, durch die als rote Linie geltende Ausdehnung der NATO auf die Ukraine und nach Georgien den Angriff auf die Ukraine zu provozieren und dann zu glauben, den Bären wenn schon nicht mit militärischer Gewalt, so doch mit Wirtschaftssanktionen schnell in die Knie zwingen zu können. Nichts ist so passiert, wie wir es uns vorgestellt haben. Wahr ist, dass sich Russland nach anfänglichen Schwierigkeiten erholt hat und sogar noch stärker geworden ist. Militärisch ist es eine Tatsache, dass es bisher nur zu einem reichlichen Positionskrieg gereicht hat, aber dafür boomt die Kriegswirtschaft, und mit neuen Märkten für russisches Öl und Gas wurden starke internationale Verteidigungs- und Trotzbündnisse mit Staaten geschmiedet, die der Westen zu Parias erklärt hat, wie Iran und Nordkorea, ganz zu schweigen von den bereits gut etablierten engeren Beziehungen zu China.

Unterdessen bekommt das vermeintlich unangreifbare Einverständnis des Westens Risse, gerät ins Wanken. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump droht nun offen damit, im Falle seines Sieges die USA aus der NATO austreten zu lassen und Europa den Russen nach deren Belieben auszuliefern. Zur Abwechslung tröstet Trump mit dem Versprechen, dass es kein Problem geben werde, wenn die EU-Mitgliedsstaaten ihre NATO-Rechnungen ordnungsgemäß zahlen, also zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in die Kasse des Nordatlantikpaktes einzahlen. Amerika würde sie weiterhin schützen. Wie dem auch sei, dies ist ein ungewöhnlicher Ton für Europa, und über unsere erschrockene Reaktion können die Russen voller Genugtuung lächeln.

Eines ist sicher: Der Status quo, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet hat, ist für immer vorbei. Russlands Präsident Putin hat zwar wiederholt Annahmen zurückgewiesen, wonach er Europa aus imperialistischen Ambitionen niederrennen könnte – aus verständlichen Gründen malen besonders Polen und die baltischen Staaten diese ihrer Meinung nach reale Möglichkeit an die Wand –, aber Europa muss möglichst schnell seine eigene Verteidigung erschaffen. Das ist natürlich leicht gesagt, aber umso schwieriger in die Praxis umzusetzen, denn das hat in der EU keine Tradition. Es bedarf grundlegender Veränderungen, um die europäische Verteidigung zu organisieren, so etwa der Schaffung einer schlagkräftigen gemeinsamen europäischen Armee, eines strengen EU-Grenzschutzes und einer starken, proaktiven europäischen Diplomatie – kurz gesagt, einer viel engeren europäische Integration. Dazu wäre nicht nur Zeit erforderlich, sondern vor allem Einverständnis. Aber genau dieses wird von der kräftigen souveränistisch-populistischen Einstellung einzelner Mitgliedsstaaten bedroht, die nicht an der Stärkung, sondern vielmehr an der Schwächung der EU arbeiten.

Ohne rasche und energische Integration wird die EU völlig der Gnade der Vereinigten Staaten von Amerika ausgeliefert sein, die in ihrer Veränderlichkeit unberechenbar sind, was fast an Kolonialismus grenzt. Dafür gibt es bereits heute unzählige Anzeichen, und das ist erst der Anfang. Die realitätsfernen Richtlinien der Brüsseler Bürokraten können Europas Ausgeliefertsein ebensowenig verändern wie die doppeldeutigen, verantwortungslosen Spiele der ostmitteleuropäischen Populisten.

Auch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht – wie sie die Schweden und Dänen schon vollzogen haben - oder der Bau neuer Munitionsfabriken oder gar die Errichtung der größten Militärbasis Europas in Rumänien, nahe dem Schwarzen Meer, helfen nicht. All dies reicht nicht aus, weil der größte Wert fehlt, der auch in Friedenszeiten mehr als wichtig ist, aber in Kriegszeiten lebenswichtig, unverzichtbar ist: Es fehlt das Vertrauen! Westeuropa traut dem einen oder anderen Land der östlichen Hälfte nicht – und das nicht ohne Grund! – und viceversa. Und Europa traut Amerika nicht. Wie in dieser Situation der Kampf an der russisch-chinesischen-(iranischen) Front aufgenommen werden kann, ist schwer zu beantworten.

Zoltán Másréti Kató

Original: Másréti Kató Zoltán: „Fegyverkező Európa“