Diktator – nur für einen Tag

Diktator – nur für einen Tag

Der Wahlkampf um die US-Präsidentschaft hat begonnen. Vorerst ist, um genau zu sein, nur die Startpistole für die Vorwahlen der Republikaner und der Demokraten erklungen, aber schon riecht es nach Schießpulver in den Vereinigten Staaten. Voran geht Ex-Präsident Trump, der seine kostbare Zeit mit Stimmenfangreisen und Gerichtsanhörungen verbringt. Mit der für ihn typischen Arroganz wies Trump Nikki Halley und Ron de Santis zurecht, die es gewagt hatten, um die republikanische Kandidatur anzutreten – inzwischen haben sich bereits beide zurückgezogen – und beschimpft vor allem Joe Biden. Sein demagogischer Gossenstil ist bei den MAGA-Gläubigen (MAGA – Make America Great Again) sehr beliebt und scheinbar nichts weiter als harmloses Geschimpfe – manchmal amüsiert es mich! –, obwohl es ernst genommen werden sollte.

Trumps Worte sollten ernst genommen werden, nicht nur, weil der Stil selbst der Mensch ist (wie der Naturforscher Comte de Buffon im 18. Jahrhundert weise konstatierte), sondern vor allem deshalb, weil seine unverantwortlichen Versprechungen und ständigen Drohungen wenn auch nicht von ihm, Trump, selbst, so doch von einigen seiner Anhänger und Förderer sicherlich tödlich ernst nehmen werden. Im neuen Wahlkampf hat Trump die nächste Stufe erklommen, indem er sich ausdrücklich faschistischer Terminologie bedient. Er bezeichnet Gegner als „Würmer, die ausgerottet werden müssen“, und illegale Einwanderer als

„Verunreiniger des amerikanischen Blutes“. Und er hat noch viele weitere goldene Sprüche auf Lager, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er buchstäblich die Diktatur versprochen hat, wenn auch vorerst nur für den ersten Tag seiner Präsidentschaft, an dem besonderen Tag er die sofortige Schließung der US-Grenzen und die Beschleunigung der Erdölförderung anordnen werde. „Drill, Baby, drill!“ („Bohre, Baby, bohre!“), ruft der Expräsident inmitter des ekstatischen Gebrülls seiner Anhänger. Ab dem zweiten Tag werde er dann wieder kein Diktator sein, verspricht Trump. Sollen wir ihm glauben?

Trump ist nicht die Krankheit, er ist nur ein Symptom. Die amerikanische Gesellschaft ist schon seit langem krank, das ist ganz offensichtlich. Wie ist es nur möglich, dass eine Gesellschaft von 350 Millionen Menschen nicht bessere Präsidentschaftskandidaten hervorbringen kann als einen energielosen, torkelnden globalistisch-imperialistischen Präsidenten sowie seinen fehdehandschuhwerfenden Herausforderer, einen nationalistischen Clown? Wenn die amerikanischen Wähler nicht vorsichtig sind, könnte sich der amerikanische Traum leicht in einen Alptraum verwandeln, und dafür gibt es eindeutige Anzeichen. Heuer werden ihre Nerven zum Zerreißen gespannt sein, und dieser bis zum Kinn bewaffneten Nation, der Weltmeisterin bei Schießereien an Schulen, ist alles zuzutrauen. Der Sturm auf das Capitol vor drei Jahren bot einen Vorgeschmack auf das, was im Bollwerk der Demokratie, den Vereinigten Staaten, geschehen kann, wenn das Gespür für Gefahr verlorengeht. Trump ist übrigens völlig untauglich als Diktator im wörtlichen Sinn, aber zum „verrückten Imperator“ könnte er es bringen.

Die Kernfrage ist, was und wer hinter den Präsidentschaftskandidaten steckt. Nichts und niemand, außer dem Kapital und seiner Besitzer, den Milliardären. Wer sich hinter welchem Präsidentschaftskandidaten versammelt, ist genaugenommen unerheblich, denn sie alle repräsentieren das gleiche seelenlose Interesse des Großkapitals. Das Aufeinanderprallen der beiden Präsidentschaftskandidaten scheint nur eine Kollision von Werten – Demokratie, menschliche Freiheiten, Rechtsstaatlichkeit – zu sein. In der Praxis ist es eine Rivalität zwischen Finanzkreisen, sonst nichts. Vielleicht ist sogar das eine Übertreibung, denn

es gibt eine ganze Reihe von Milliardären, die beide Parteien unterstützen, um auf diese Weise sicherzugehen, dass sie auf der Gewinnerseite stehen, wer immer als Sieger aus den Wahlen hervorgeht. Das ist an sich kein neues Phänomen, aber neu sind zum einen die in den sozialen Medien und der künstlichen Intelligenz steckenden Manipulations- und Propagandamöglichkeiten, zum anderen die Dominanz der Monopole.

Die Vereinigten Staaten von Amerika, lange Zeit eine echte Demokratie, entwickeln sich allmählich zur Pseudo-Demokratie, zu einer echten Plutokratie. Übrigens ist dieses Phänomen in Spurenelementen auch in der EU entdecken, doch wurzeln sie wesentlich schwieriger wegen des viel komplexeren Systems.

Abschließend sollten wir die Amerikaner daran erinnern, wer sie einst waren. George Washington und sein Kreis gründeten 1783 am Ende des amerikanischen Bürgerkriegs die bis heute tätige „Society of the Cincinnati“. Deren geistiger Vater war der römische Patrizier Lucius Quinctius Cincinnatus, den die Republik 458 v. Chr. Zum Diktator bestellte, um die Verteidigung gegen die eindringenden Aequer und Sabiner zu organisieren. Cincinnatus erfüllte seine Pflicht und verließ seinen Landsitz, um als Herr über Leben und Tod den Angriff zurückzuschlagen. Dann returnierter er den „diktatorischen Auftrag“ ohne nachzudenken und kehrt zu seinem Pflug zurück. So wird der einzige positive Diktator der Geschichte in öffentlichen Statuen dargestellt. Cincinnatus ist das Sinnbild des Pflichtbewusstseins, der Loyalität zu seiner Heimat und des Bürgertums geworden!

Schicksalshaft ist nicht nur eine Vereinigung, sondern auch eine Stadt nach Cincinnatus benannt worden – Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio war im 19. Jahrhundert bekannt als wichtigstes Zentrum des Schweinehandels und wurde typischerweise, aber nicht gerade wohlklingend auch Porkopolis genannt...

Armes Cincinnatus! Armes Amerika!

Original: Másréti Kató Zoltán: „Diktátor – csak egy napra“