Serbien: unter Zeitdruck

Serbien: unter Zeitdruck

Serbien: unter Zeitdruck

In Serbien gibt es keine Sauregurkenzeit – daran sind wir gewöhnt, das Leben ist immer geschäftig. Die regierungsfeindlichen Proteste, ausgelöst Anfang Mai durch den Massenmord in einer Belgrader Schule, dauern an. Nach Angaben der Organisatoren finden die Demonstrationen unter dem Namen Serbien gegen Gewalt in 30 Städten statt, „ganz Serbien ist auf den Beinen“, sagen sie. Ihrer Meinung nach hat der Massenmord nicht die Regierung, sondern die Bürger wachgerüttelt. Sie beklagen, dass die Führung des Landes die Demonstranten und ihre Forderungen ignoriert, was auch eine Form der Gewalt ist.

Zwei neue Skandale sind ausgebrochen. Der jüngste ist die Verhängung von Sanktionen durch die USA gegen den Chef des serbischen Geheimdienstes, Aleksandar Vulin, wegen angeblichen Missbrauchs seiner Position, Beteiligung an der internationalen organisierten Kriminalität und am Drogenhandel sowie Nutzung seiner Position zur Unterstützung Moskaus. Interessant sind die Reaktionen der drei wichtigsten serbischen Politiker:

Laut Präsident Aleksandar Vučić wird Vulin von den USA für seine Neigung zugunsten Russlands bestraft. Seines Wissens sei im Weißen Haus Kokain gefunden worden, und nicht in Vulins Kabinett. Keine Antwort gab das Staatsoberhaupt auf die Frage, ob der erste Mann des BIA wegen der Geshehnisse abgelöst werde.

Miloš Vučević, der Ende Mai statt Vučić zum neuen Vorsitzenden der Serbischen Fortschrittspartei gewählt worden ist und auch das Amt des Verteidigungsministers bekleidet, sagte, dass „all dies nicht bedeutet, dass Vulin ersetzt wird. Das ist nicht selbstverständlich. Wir müssen die möglichen Konsequenzen, die Botschaften und die Ursachen sorgfältig abwägen. Die endgültige Entscheidung wird der Nationale Sicherheitsrat treffen.“

Laut Außenminister Ivica Dačić sind die USA eine Großmacht und erwarten, dass Serbien zu 100 Prozent auf ihrer Seite steht. Er fügte hinzu, dass auch Russland unzufrieden sei, weil Belgrad nicht zu 100 Prozent auf Moskaus Seite stehe.

Die Opposition hat natürlich auch in dieser Frage zurückgeschlagen, aber nichts Substanzielles vorgebracht, und die Angelegenheit scheint sich mehr oder weniger beruhigt zu haben. Vorerst ist die versprochene detaillierte Bewertung durch den Staatschef noch nicht erfolgt.

Einige Tage zuvor hatte ein anderer Skandal die Medien gefüllt. Die Twitter-Plattform „Gegen Diktatur“ veröffentlichte eine Tabelle, in der 14.000 Bots und Kommentatoren genannt wurden, also Personen, die in sozialen Netzwerken unter einem Pseudonym aus eigener Überzeugung oder auf Geheiß eines Dritten politische Gegner verleumden, demütigen oder belästigen und für die Ziele der Regierung bzw. des Staatschefs werben. Als Reaktion darauf postete Aleksandar Vučić auf seiner offiziellen Instagram-Seite ein Bild der Modelle einer Fotoagentur mit der Unterschrift: „Ich liebe Serbien und die Serbische Fortschrittspartei mehr als alles andere auf der Welt". Das Bild wurde von vielen Menschen geteilt. Am nächsten Tag postete der Innenminister ein Foto in den sozialen Medien, das ihn unter einem Wandbild von Vučić lächelnd mit dem Präsidenten der serbischen Wirtschaftskammer zeigt. Beide tragen T-Shirts mit der Aufschrift „I am a bot“. Ein Parlamentsabgeordneter der Serbischen Fortschrittspartei, der selbst auf der Liste steht, formulierte in einer Wortmeldung

Und worüber wird in der Zwischenzeit sehr wenig gesprochen? Ist das Land bereit für den Schulbeginn am 1. September? Zur Erinnerung: Das Schuljahr war nach dem Massaker vorzeitig beendet worden, weil der Staat die Sicherheit der Bildungseinrichtungen nicht garantieren konnte. Viele Menschen, Lehrer, Eltern, Kinder und Jugendliche sind über dieses Thema sehr besorgt.

Sehr still ist es auch um die Ergebnisse der Volkszählung geworden, obwohl klar ist, dass die deprimierenden demografischen Zahlen – gegenüber der Volkszählung 2011 ist die Gesamtbevölkerung um fast eine halbe Million geschrumpft – eine wirksame Reaktion erfordern. Auch die Zahl der in Serbien lebenden Ungarn ist deutlich gesunken, und zwar von 253.899 auf 184.442 Personen. Bei der Eröffnungssitzung des ungarisch-serbischen Strategierats in Palic (Vojvodina) im Juni wurden auch die demografischen Herausforderungen erörtert, die Serbien und Ungarn gleichermaßen treffen. Der serbische Präsident wird im September erneut am Budapester Demografiegipfel teilnehmen. Bis dahin wird das Schuljahr bereits begonnen haben...

Márta Fehér