Gedanken über die Neutralität

Gedanken über die Neutralität

In mir steigt die Erinnerung an ein Interview mit Bruno Kreisky auf, als der Bundeskanzler den Journalisten ermahnte: „Lernen Sie aus der Geschichte!“

Ja, lernen wir aus den historischen Ereignissen! Wie 1955, die auch in der heutigen Zwangslage zum Vorschein kommende Rage der militärischen Neutralität Österreichs. Kanzler Nehammer brachte eine eventuelle NATO-Mitgliedschaft ins Gespräch und fügte hinzu, dass die Neutralität keinen Streitpunkt darstelle. An der eindeutigen Twitter-Botschaft von Außenminister Schallenberg hatte Putin ganz sicher keine Freude.

Im Augenblick leben wir in einer der gefährlichsten Zeitspanne, vergleichbar mit der Ära vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Sämtliche heiklen Fragen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine müssten auf breiter Basis zwischen Kanzleramt, Bundespräsidentschaft und Parlament angestimmt werden. Wenn irgendjemand auch nur einen Millimeter von der Neutralität Österreichs abweichen könnte, wäre es das Volk in einem Referendum, doch dies ist angesichts der Kriegsstimmung nicht zeitgemäß. In der gegenwärtigen Situation ist die traditionell erfolgreiche Vermittlerrolle des neutralen Österreich vordringlich.

Der Ukraine-Konflikt ist zusammengesetzt, hat viele Gründe und lässt sich nicht auf den russischen Angriff beschränken. Es war allen politischen Beobachtern klar, dass sich Putin nicht in die Ecke drängen lassen würde, auf der einen Seite von der nach Westen wachsenden NATO, auf der anderen vom sich Schritt für Schritt Richtung Westen ausbreitenden China.

Die ukrainische Regierung goss mit dem auf die Minderheiten gemünzten Sprachengesetz nur noch Öl ins Feuer. Der stark industrialisierte Osten des Landes und die Krim-Halbinsel sind beinahe ausschließlich von russischsprachigen Menschen bewohnt. Die russische Schwarzmeerflotte ankert bei der Krim.

US-Präsident Joe Biden hat die Konfrontation mit Russland ausdrücklich gesucht. Kein Wunder, denn die Amerikaner sind dank des umstrittenen „Fracking” in jüngster Zeit zum weltgrößten Gasexporteur geworden. Die USA wollen das Gas auf dem globalen Energiemarkt verkaufen, vor allem den Ländern der EU. Aber Europa hatte schon einen Gaslieferanten: Russland. Das müsste jetzt verändert werden. Amerikanische Konzerne wollen das Geschäft übernehmen, deshalb drängen die USA auf alle Arten die EU zu Sanktionen gegen Russland.

Es müsste auf diplomatischem Weg ein Status der militärischen Neutralität für die Ukraine und eine Freihandelszone realisiert werden, denn die Sanktionen bringen keine entscheidende Veränderung. Das müssen früher oder später auch die USA einsehen. Mit den Sanktionen treiben sie Russland nur in Chinas Arme. Davon aber wird die Welt nicht sicherer.

„Wenn ein führender Darsteller die Bühne der Politik verlässt, so spüren das die Statisten auch stark“, wissen wir aus einer englischen Weisheit. Österreichs Neutralität war noch nie so wichtig wie heutzutage. Zahlreiche NATO-Staaten haben sich im russisch-ukrainischen Krieg auf eine Seite gestellt und liefern der Ukraine Waffen. … Das ist außerordentlich gefährlich. Ein russischer Angriff auf eine dieser Waffenlieferungen wirft die Frage des NATO-Bündnisses auf. Alle 30 Mitgliedstaaten müssten unter Leitung der USA einheitlich militärisch gegen Russland auftreten. Befinden wir uns dann in einem Weltkrieg?

Lernen wir aus den historischen Ereignissen, solange es nicht zu spät ist!

Original: Fetes Kata - Gondolatok a semlegességről